Bei der Erziehung gibt es eine unübersichtliche und unendliche Fülle an Meinungen. Wenn du, wie ich, liebevoll und auf möglichst natürliche Art und Weise mit deinem Baby und Kleinkind umgehen möchtest, bist du hier richtig. Im Folgenden stelle ich dir die bedürfnisorientierte Erziehung, die naturnahe Erziehung und die minimalistische Erziehung vor. Probiere gerne aus, was dir zusagt und lass den Rest links liegen. Vertrau deinem Gefühl. Du kennst dich und deine Familie am besten und weißt, was zu euch passt.

Bedürfnisorientierte Erziehung (Attachment Parenting)
Bedürfnis- oder auch bindungsorientierte Erziehung beruht darauf, das Kind in seinen Bedürfnissen und Gefühlen ernstzunehmen. Der Nachwuchs steht erst einmal im Vordergrund und dies umso mehr, je jünger das Kind ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass man sich als Elternteil selbst aufgeben und alles für das Kind tun muss. Vielmehr gilt es abzuwägen und einen Weg zu finden, beide Parteien zufriedenzustellen.
Bei dieser Erziehungsmethode wird also fleißig getragen, gestillt und im Familienbett geschlafen. Die Kleinsten bauen eine starke Verbindung zu ihren engsten Bezugspersonen auf. Entsprechend bekommen sie ein unerschütterliches Urvertrauen in die Wiege gelegt, da sie von Geburt an Nähe, Liebe und Geborgenheit erfahren. Langzeitstillen, Co-Sleeping und häufiges Tragen im Arm oder Tragetuch sind sicherlich ebenso von Vorteil für die Babys wie der liebevolle Umgang in der Familie ohne körperliche oder seelische Gewalt.
Selbstverständlich werden auch hier Grenzen aufgezeigt, doch diese sollten möglichst natürliche, logische Folgen eines Verhaltens und verständlich für die Kleinen sein. Kinder tun alles aus einem Grund. Bei diesem Erziehungsstil gilt es dies zu erkennen und das Verhalten zuzulassen, solange es niemandem schadet und dem Kind Gelegenheit zum Lernen gibt. Willkürliche Verbote und Strafen gibt es nicht. Wenn ein Kleinkind zum Beispiel beim Sonntagsfrühstück genüsslich im Essen matscht, ist das eine sensorische Erfahrung. Es lernt die Lebensmittel mit allen Sinnen kennen; übt nebenbei vielleicht schon, mit Besteck zu essen. In diesem Wissen könnte man es gewähren lassen, anstatt den Teller wegzunehmen. Danach wird eben sauber gemacht. Auch dabei „hilft“ ein Kleinkind üblicherweise gerne, wenn man es nicht davon abhält.
Natürliche Erziehung
Bei der natürlichen (sanften, naturverbundenen) Erziehungsmethode gehen die Eltern wie auch beim Attachment Parenting sehr auf die Kinder ein. Es wird ebenfalls gestillt, getragen und auf Augenhöhe kommuniziert. Jedoch wird hier noch mehr Wert darauf gelegt, dass sich der Nachwuchs im eigenem Tempo entwickeln und frei entfalten kann. Die Bezugspersonen greifen nur bei potentiellen Gefahren ein, wobei sie sich auf ihren Instinkt verlassen.
Es wird auf Nachhaltigkeit (Stichwort Stoffwindeln) und viel Zeit im Freien geachtet. Lernen findet auf natürliche Weise und möglichst kindgerecht statt, je nach Ausprägung wird Homeschooling oder sogar Unschooling (keine geregelte Bildung, das Kind lernt, was und wann es will) praktiziert. Selbstredend wird bereits bei der Geburt darauf geachtet, möglichst wenig einzugreifen und das Baby so natürlich wie möglich auf dieser Welt zu begrüßen. Eine gesunde, vollwertige Ernährung und die Nutzung naturheilkundlichen Wissens ergänzen und vervollständigen das Bild der naturnahen Erziehung.
Minimalistische Erziehung (Simplicity parenting)
Beim minimalistischen oder einfachen Erziehungsansatz dreht sich alles um das Motto „Weniger ist mehr“. Vor allem in der heutigen Zeit sind Kinder mit extrem vielen Reizen und Eindrücken konfrontiert, die sie nicht schnell genug verarbeiten können. Dies führt zu Stress und Frustration, was sich schließlich in aggressivem oder unerwünschtem Verhalten entlädt.
Eltern streben bei diesem Erziehungsstil danach, dem Kind eine möglichst übersichtliche und reduzierte Umgebung zu erschaffen. Dies betrifft die Menge an Spielzeugen, die Zeit vor dem Bildschirm, die Anzahl und Art von Terminen und Veranstaltungen sowie allgemein die Menge an Entscheidungen, die Kinder und Jugendliche treffen müssen.
Besonders bei jungen Kindern ist darauf zu achten, Informationen, die nur die Erwachsenen angehen, zu filtern oder ganz von den Kleinsten fernzuhalten. Fernseh- oder Radionachrichten etwa können verstörend sein und dem Kind unnötigen Stress bereiten, da es den Kontext nicht versteht. Zusätzlich sollen Eltern darauf achten, nicht zu viel auf das Kind einzureden. Also lieber nonverbal und in kurzen, klaren Sätzen kommunizieren. Nicht zuletzt vereinfachen sie das Leben der Kinder dadurch, dass ihre Tage eine klare, vorhersagbare Struktur vorweisen. So kann sich jeder auf die täglichen Routinen verlassen. Dies reduziert nicht nur Anspannung und Ungewissheit, sondern fördert auch einen guten Schlaf.
Vergleich der Erziehungsansätze
Du siehst schon, dass zwischen diesen drei Erziehungsstilen deutliche Parallelen bestehen. Sie unterschieden sich vor allem darin, welche Werte und Verhaltensweisen im Fokus stehen.
Bei der natürlichen Erziehung dreht sich alles um die Schlagworte Natur, Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit, Instinkt.
Die bindungsorientierte Erziehung blickt vor allem auf die enge und liebevolle Beziehung zwischen Eltern und Kind, wobei viel Wert auf körperliche Nähe und die Erfüllung kindlicher Bedürfnisse gelegt wird.
Beim Simplicity Parenting hingegen ist der Kerngedanke das Reduzieren von Reizen. Dieser Ansatz spricht besonders in der heutigen Zeit (Stichwort Leistungsdruck, Stress und Überangebot an allem) vielen Menschen aus der Seele.
Ich meine, man muss sich nicht entscheiden. Im Gegenteil, die Gedanken dieser drei äußerst sanften und kindgerechten Erziehungsstile ergänzen sich sogar wunderbar. Man kann zum Beispiel problemlos AnhängerIn der natürlichen oder bedürfnisorientierten Erziehung sein und gleichzeitig minimalistisch handeln was Termine, Spielsachen und Bildschirmzeit angeht.
Es geht hier keinesfalls darum, einen Ansatz oder auch nur irgendeinen dieser Ansätze als ideal dazuzustellen. Wichtig ist, dass man als Bezugsperson informiert ist, seine eigenen Werte definiert, das erzieherische Handeln hinterfragt und falls notwendig anpasst. Unbewusst greifen viele Eltern auf ein Verhalten zurück, das sie bei ihren Bezugspersonen während der eigenen Kindheit beobachtet und erlebt haben. Solange du einen Ansatz verfolgst, den du aus vollem Herzen weiterempfehlen kannst und nach dem du auch selbst gerne erzogen worden wärst, machst du alles richtig.
Quellen
Auerbach, D. (2019). What is Natural Parenting? Abgerufen 11.01.2021, von https://parentology.com/what-is-natural-parenting/
White, J. (2020). Attachment Parenting Basic Principles and Criticisms. Abgerufen 11.01.2021, von https://www.verywellfamily.com/what-is-attachment-parenting-284538
Payne, K. J. (2020). Simplicity Parenting: Weniger ist mehr: Was Kinder wirklich brauchen, um ausgeglichen, glücklich und rundum geborgen aufzuwachsen. München: Heyne.
Abbildung: Mother taking rest sleeping on a couch with her baby on her chest by Jacob Lund from Noun Project
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